Prof. Dr. Sven Gottschling, Schmerzmediziner an der Universitätsklinik des Saarlandes, hielt auf Einladung der FDP in Riegelsberg einen Vortrag über die Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in der medizinischen Behandlung. Dabei beleuchtete er sowohl historische Entwicklungen als auch aktuelle Herausforderungen in der Anwendung von Cannabinoiden in der Schmerztherapie und anderen medizinischen Bereichen.
Historische Entwicklung und rechtliche Rahmenbedingungen
Prof. Gottschling begann mit einem Rückblick auf die Geschichte der Cannabinoid-Verschreibung in Deutschland. Bereits 1998 wurde die Verschreibung von THC-haltigen Medikamenten ermöglicht, doch erst mit der Gesetzesreform 2017 wurde der Einsatz von Cannabis in der Medizin erheblich erweitert. Ärzte dürfen seither Cannabinoide für verschiedene Indikationen verschreiben, was zu einem Anstieg der Verordnungen, insbesondere in der Schmerztherapie, führte. Dies brachte jedoch auch Konflikte mit den Krankenkassen mit sich, die häufig Anträge auf Kostenübernahme ablehnen.
Anwendung von Cannabinoiden in der Schmerztherapie
Ein Schwerpunkt des Vortrags war die Behandlung chronischer Schmerzen, insbesondere von Nervenschmerzen, mit Cannabinoiden. Gottschling wies darauf hin, dass Cannabinoide besonders dann wirksam sind, wenn herkömmliche Schmerzmittel wie Opioide nicht ausreichend helfen oder schwere Nebenwirkungen haben. Er führte als Beispiel einen Fall an, bei dem ein jugendlicher Patient mit chronischen Kopfschmerzen durch Cannabinoide eine deutliche Verbesserung seiner Lebensqualität erfuhr.
Probleme bei der Verschreibung und der Umgang mit Krankenkassen
Gottschling kritisierte die Haltung der Krankenkassen, die trotz gesetzlicher Regelungen oft die Kostenübernahme für Cannabinoide verweigern. In etwa 50 bis 60 Prozent der Fälle würden Anträge abgelehnt, was oft zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führe. Zudem seien Ärzte mit einem hohen bürokratischen Aufwand konfrontiert, was die Verschreibung von Cannabinoiden erschwere.
Forschung und zukünftige Entwicklungen
Prof. Gottschling betonte die Notwendigkeit weiterer Forschung auf dem Gebiet der Cannabinoide. Obwohl bereits Studien zur Wirksamkeit existieren, sei das Wissen über die genauen Wirkmechanismen begrenzt. Insbesondere in Bezug auf die Fahrtauglichkeit von Patienten, die medizinisches Cannabis einnehmen, bestehe Forschungsbedarf. Eine großangelegte Studie an der Universitätsklinik des Saarlandes sei in Planung. Darüber hinaus forscht Gottschling mit seinem Team auch an der Anwendung von Cannabinoiden in der Palliativmedizin, um Symptome wie Schmerzen und Übelkeit zu lindern.
Cannabinoide in der Palliativmedizin und weiteren Indikationen
Ein weiteres Anwendungsgebiet von Cannabinoiden ist die Palliativmedizin. Sie werden hier genutzt, um bei schwerkranken Patienten Schmerzen, Übelkeit und andere Symptome zu lindern. Neben der Schmerztherapie und Palliativmedizin kommen Cannabinoide auch bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose zum Einsatz.
Vorsicht bei der Anwendung bei jungen Patienten
Gottschling warnte davor, Cannabinoide bei jungen Patienten unter 21 Jahren leichtfertig einzusetzen, da das Gehirn in diesem Alter noch in der Entwicklung ist. Insbesondere das psychoaktive THC könne negative Auswirkungen haben. Bei Erwachsenen sei dieses Risiko geringer.
Zusammenfassung der Einsatzgebiete
Cannabinoide finden Anwendung bei:
- Chronischen Schmerzen, insbesondere Nervenschmerzen
- Spastik bei neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose
- Appetitlosigkeit und Übelkeit bei Krebspatienten
- Autismus und bestimmten psychischen Erkrankungen (in Einzelfällen)
- Chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis
Der Vortrag verdeutlichte, dass Cannabinoide in der Medizin ein breites Anwendungsspektrum haben und für viele Patienten eine wertvolle Therapieoption darstellen.